Diese Aussage ist korrekt. So interagiert Godenrath beispielsweise mit einem Tweet von Christoph Lütge. Folgt man dem Link zum Status von Thomas Godenrath (auf Twitter @ketzapp1), so wird man weitergeleitet auf diesen Tweet. Darin schreibt Lütge: „Überall wird geöffnet. Ohne Testwahn, ohne indirekte Impfpflicht. Außer in Deutschland, denn Merkel, Söder und Co wollen es nicht. Sie wollen keine positiven Perspektiven für die Menschen. Sie wollen offenbar nur noch Spaltung und Zerstörung. Die Bürger müssen jetzt aufwachen.“
Weiterleitungen kommen nur dann zustande, wenn ein Tweet von Nutzer:innen weiterverbreitet wird. Ein Hinweis auf eine kritische Distanzierung von Thomas Godenrath ist im Archiv nicht zu finden.
Zur Erinnerung, Lütge wurde als Experte im Bayerischen Ethikrat abgesetzt, nachdem er mit seinen vorherigen Äußerungen für einige Verwirrung gesorgt hatte. Nachzulesen auch bei mir in einem früher erschienen Beitrag. Lütges Aussagen werden auch gerne von Querdenkern geteilt. Lütge hat kürzlich ein Buch mit Michael Esfeld veröffentlicht. Der Titel: „Und die Freiheit? Wie die Corona-Politik und der Missbrauch der Wissenschaft unsere offene Gesellschaft bedrohen“. Dafür wurde er von „Frische Sicht“ – dem laut Eigendarstellung „Presseportal für unabhängigen Journalismus“ – befragt. Unter der Rubrik „Menschen mit Mut“ interviewte das „Presseportal“ übrigens im Januar 2021 Frank Höfer von NuoViso. Mehr über diese Plattform findet sich in einem Artikel auf ZEIT Online.
Kurz vor der Veröffentlichung meines Beitrags hatte ich übrigens ein Gespräch mit Thomas Godenrath auf Twitter, dass man in drei Teilen in Gänze hier nachlesen kann (Link #1, Link #2, Link #3). Thomas Godenrath versteht die Aussage von Bundeskanzlerin Merkel nicht, dass die Impfungen zu einer veränderten Bewertung der Inzidenzzahlen führen. Ich versuche ihm dies zu erklären, aber er weicht unter anderem auf Trump aus und meint, dieser habe die Pandemie wunderbar gemanagt.
Thomas Godenrath teilt ebenfalls den Tweet des Journalisten Henning Rosenbusch. Der CDU-Mann Godenrath verlinkt zu einem Beitrag von Cicero mit einem von Rosenbusch noch einmal hervorgehobenen Zitat: „»Ein kanadischer Ökonom hat 80 Studien zum Nutzen dieser Lockdown-Politik ausgewertet – und kommt zu einem vernichtenden Ergebnis.«“ Die Studie (in englischer Sprache) kann man hier einsehen.
Douglas W. Allens Studie ist übrigens nicht Peer-Reviewt, das heißt sie wurde bisher nicht wissenschaftlich auf ihre Methodik überprüft. Allen ist außerdem lediglich Ökonom und kein Epidemiologe oder Virologe. Diese Fakten sprechen nicht dagegen, dass die Studie korrekt ist, sie stellen jedoch zumindest die volle Glaubwürdigkeit dieser möglicherweise in Frage. Auf Twitter haben Miriam Hollstein (Chefreporterin Politik bei Funke) sowie Marcus Ewald (Unternehmer) sich kritisch mit der Studie auseinandergesetzt. Der englische Wikipedia-Artikel zu Douglas W. Allen ist sehr empfehlenswert.
Zudem ist es wichtig auch ein paar Worte zu Rosenbusch zu verlieren. Er ist Autor der Nachdenkseiten und dem Lager der Coronaskeptiker zuzuordnen. Er verwendet hier beispielsweise eine irreführende Abbildung, die den Anschein erweckt, dass Deutschland und Schweden eine ähnliche Anzahl an Coronatoten auf die Gesamtbevölkerung berechnet zu beklagen haben. Einen sehr lesenswerten und differenzierten Artikel zum Sonderweg von Schweden findet man auf der Internetseite von Quarks & Co.
Apropos andere Länder. Markus Söder schreibt im Dezember auf Twitter: „Die steigende Zahl der Todesfälle zeigt den Ernst der Lage. Wir sind nicht bereit, das so hinzunehmen. Das ständige Kleinreden und Leugnen von Corona ist ein Problem. Die Grundphilosophie heißt jetzt: Daheim bleiben.“ „Sie verstehen nicht, das Schema F nicht funktionieren wird. Chinamethoden funktionieren in Europa nicht. Auch wenn Sie die am liebsten hätten“, schreibt Thomas Godenrath ihm und antwortet in diesem Thread noch auf einen weiteren Kommentar mit den Worten: „Merkel hat die (Anmerkung: gemeint ist China) ja schon gelobt. Demokratische Länder müssen andere Antworten finden. Siehe Tübingen oder Schweiz.“
Godenrath unterstellt hier der Kanzlerin und Markus Söder eine Orientierung an autoritären Regimen. Damit weist Thomas Godenrath ein wichtiges Merkmal von Anhänger:innen der Querdenken-Bewegung auf. „Widerstand gegen einen Staat, der zur Diktatur verkommt“, wie Elvira Rosert in ihrem Artikel für die Zeitung Neues Deutschland ausmacht. Der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebunde erklärte das Modellprojekt in Tübingen übrigens in einem Interview mit NTV aus dem April für „mehr oder wenig gescheitert.“ Ähnlich äußerte sich auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach auf Twitter.
Was die Schweiz angeht, so reicht ein Blick auf diese Abbildung im Schweizer Rundfunk, um das von Godenrath gezeichnete Bild ins Wanken zu bringen. Der Anstieg an Neuinfektionen in der Schweiz, insbesondere im Zeitraum von Oktober bis November ist im Vergleich zu Deutschland überwältigend und zeigt einmal mehr, welche Gefahr von einem exponentiellen Wachstum von Viruskrankheiten ausgeht.
Einen weiteren Einblick in seine Gedankengänge gibt Thomas Godenrath in diesem Gespräch. Darin behauptet er am 12. Dezember, dass ein Schutz der betroffenen Altersgruppen anderen Maßnahmen gegenüber vorzuziehen sei, weil: „es nicht daran liegt, dass sich die Leute nicht daran (Anmerkung: gemeint sind die Coronamaßnahmen) halten, sondern an der Strategie, nicht die Risikogruppen zu schützen, sondern die Kräfte auf breiter Front zu verschleißen.“ Auf den nachfolgenden Kommentar des Nutzers antwortet er nicht mehr.
Damit liegt Godenrath auf einer Linie mit der sogenannten „Great Barrington Declaration“. Diese wird von Deutschlands führenden Expert:innen seit langem mit guten Argumenten abgelehnt, wie dieser Artikel von Quarks & Co. aus dem Oktober 2020 darlegt. Die Gruppe „Querdenken 741 – Ravensburg“ sei hier beispielhaft genannt, denn auch sie beruft sich auf die „Great Barringon Declaration“ und schreibt in ihrer Quellensammlung, mit Verlinkung auf einen Artikel der BILD: „Der Beweis, dass die Great Barrington Declaration funktioniert.“
Wer also vielfältige seriöse Informationsquellen heranzieht, sollte dies wissen. Welche Partei hat in Sachsen-Anhalt übrigens im Februar 2021 gefordert: „Risikogruppen schützen – Lockdown beenden“? Es handelt sich um die AfD. Halte ich Thomas Godenrath nun aber für einen Querdenker? Ich würde aufgrund der genannten Faktenlage den Schluss ziehen, dass er keinesfalls ein Coronaleugner ist. Er ist in meinen Augen auch niemand, der sich an einer Demonstration gegen die Maßnahmen direkt beteiligen würde. Die Argumentationsmuster sind jedoch vergleichbar mit denen von Coronaskeptikern im Gefilde von Querdenken, die die Gefahr die vom Virus ausgeht, herunterspielen.
Ich habe im letzten Abschnitt bereits das Wort „Informationsquellen“ verwendet. Darum soll es nun hier im nächsten Punkt der Korrektur gehen:
10 Comments
Benjamin Flux · 24. Mai 2021 at 9:38
Danke für die umfangreiche und spannende Recherche. Bezeichnend, dass statt Aufklärung und kritischem demokratischem Diskurs von Seiten der CDU nur Post vom Rechtsanwalt kam.
Gunnar Hamann · 24. Mai 2021 at 20:15
Vielen lieben Dank,
hat mich auch eine ganze Weile auf Trab gehalten. Ich habe kürzlich einen Patreon-Account eingerichtet (https://patreon.com/ostprog). Wer Geld übrig hat (andernfalls bitte nicht!), kann mich dort gerne unterstützen. Ich erhalte für meine Arbeit bislang keine finanziellen Zuwendungen und werde den Patreon auch wieder deaktivieren, sobald ich eine Anstellung finde oder als freischaffender Journalist von meiner Arbeit leben kann.
Beste Grüße und danke für das Lob,
Gunnar Hamann
Choc it · 29. Mai 2021 at 17:02
Ich schließe mich Benjamin Flux an – gute und vor allem wichtige Arbeit, Herr Hamann, danke dafür. Kämpfen Sie im Allgemeinen bitte weiter gegen Intransparenz und für Gerechtigkeit. Alles Gute für Sie.
Statement zu Kerstin Godenrath (CDU Halle) | Pressefreiheit | OSTPROG · 4. Juni 2021 at 17:18
[…] Beitrags gehe ich hier aus Zeit- und Platzgründen nicht weiter ein. Dazu bitte ich darum, den entsprechenden Beitrag zu lesen, um sich ein Bild zu […]
Ein Pyrrhussieg für die Demokratie | OSTPROG · 7. Juni 2021 at 21:53
[…] man kein Journalist mehr, wenn man einen Fehler macht und diesen sogar eingesteht? Wieso folgte und retweetete Kerstin Godenrath auf Twitter dann den Journalisten Boris Reitschuster, der nachgewiesenermaßen und regelmäßig alle Maßstäbe guten Journalismus vergisst? Liegt es an […]
Datenglosse – Too 😎 for School? | OSTPROG · 30. Juni 2021 at 8:22
[…] Sonnenbrillen-Emoji – immer näher gekommen. Wenn das doch nur ein paar seiner Parteikolleg:innen auch berücksichtigt hätten. Doch während die Anzahl seiner Tweets nach 2018 insgesamt rapide gesunken ist, steigt […]
Falsche Ausgewogenheit im Öffentlich-rechtlichen Rundfunk | OSTPROG · 14. August 2021 at 15:27
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