Jonas Schütte sieht in der Krise auch eine Chance für eine Auseinandersetzung mit neuen Spielformen der Kulturproduktion, die den digitalen Raum mehr als bislang in das Theater einbezieht. So bietet er für Inszenierungen auch die Möglichkeit an, den Chat als neues Element in die Performance einzubetten. Für Schauspieler:innen eine Herausforderung, da sie ihre Stücke jetzt anders – filmischer und gleichzeitig interaktiver – denken müssen. Schütte ist mit der Volksbühne mittlerweile auch Teil des Theaternetzwerk Digital, dass sich für einen Austausch von Spielstätten im Bereich digitaler Theaterproduktionen einsetzt.
Julia Raab sieht diesen Reiz auch, möchte sich aber weniger vom „klassischen Theater“ mit Bühne und Publikum entfernen. „Ich finde es schon spannend, aber ich merke, mich reizt das nicht.“ Ihre gemeinsame szenische Lesung mit Martin Kreusch – „…schon fünf Jahre oder noch länger lebst Du in dieser Wüste“, Briefwechsel zwischen Widerstandskämpferin Sophie Scholl und Wehrmachtsoffizier Fritz Hartnagel – kann sie in diesem Monat fast unverändert im Livestream des WUK Theater Quartier anbieten.
Vor etwa einem Jahr bietet Raab bereits ihre szenische Lesung „Im Frühling hat man keine Lust zu sterben“ – im Auftrag der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt und mit technischer und räumlicher Unterstützung von Jonas Schütte – im Livestream auf YouTube an.
Neben dem fehlenden Applaus und der physischen Interaktion mit dem Publikum bereitet der Umzug in das Digitale aber auch Probleme. Kulturveranstaltungen im Freien lassen sich auch mit guter Technik nicht so einfach veranstalten, so Jonas Schütte. Außerdem macht sich ein Zuschauerschwund bemerkbar. Julia Raab selbst gibt offen zu, dass sie sich als Zuschauerin weniger Theaterproduktionen im Netz ansieht, als gewöhnliche Theaterproduktionen vor der Pandemie.
„Die Bereitschaft sich auf etwas einzulassen was einen fordert – die hat nachgelassen“, so Jonas Schütte: „Der Durst nach Entertainment hat sich vergrößert. Ich würde sagen, wenn wir die Theater wieder aufmachen wird eine neue Blütezeit der Schwänke anbrechen.“
Derweil steht Jonas Schütte bereits mit dem Zollstock bereit. Parallel arbeitet er an der Vergrößerung seiner Spielstätte von derzeit zwei auf vier Bühnen. Und auch dort sieht er bereits Ideen für eine digitale Zukunft.
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