Dieses Zitat von Jan Fleischhauer brachte mich zum Schmunzeln. Nicht, weil ich ihn für einen Spinner halte, aber für jemanden, der anti-intellektuelle Strömungen bedient und ihnen sagt, was sie hören wollen. Fleischhauer ist die personifizierte False Balance. Der beispielhaft in einer Kolumne für den Focus im Januar 2021 Kreativität, statt Lockdown forderte und die damaligen Einschränkungen – die im übrigen mit einem echten Lockdown nicht viel zu tun hatten – als Maßnahmen aus dem Mittelalter bezeichnete. Der Lockdown im März 2020 habe nicht gewirkt, so Fleischhauer, und er verweist auf die gestiegenen Zahlen im damaligen Spätherbst. Alternativen zeigt Fleischhauer nicht auf. Braucht er auch nicht, denn das verkauft sich vermutlich schlechter.
Dasa der FOCUS als privatwirtschaftliche Publikation Fleischhauer und seinen kruden Argumentationen zu Corona eine Bühne bereitet, kann man kritisieren. Wesentlich deutlicher wird das Versagen jedoch, wenn man beachtet, wie oft Fleischhauer in den öffentlichen Debatten ein Platz eingeräumt wird. Nicht nur hier bei Übermedien, sondern auch in den Öffentlich-Rechtlichen Medien. Letzteres ist wohl ein besonderer Fall von „Stockholm-Syndrom“, denn durch seine Sympathiebekundungen für den Begriff „Staatsfunk“, hat er eigentlich klargemacht, wofür er steht.
Im ARD-Presseclub ließ man ihn seine implizite Behauptung durchkommen, dass es reiche, Risikogruppen in Alten- und Pflegeheimen besser zu schützen, statt Maßnahmen zur Minimierung der Verbreitung zu ergreifen. Dass er dabei No-Covid mit Zero-Covid gleichsetzt, wird von niemandem in der Gesprächsrunde thematisiert oder eingeordnet.
Fleischhauer behauptet bei Übermedien sogar, er habe nie „Extrempositionen“ vertreten. Im Hinblick auf seine Polemik zu Coronamaßnahmen sowie seiner Unfähigkeit anzuerkennen, dass Risikogruppen unter hohen Inzidenzen nicht ausreichend geschützt werden können, kann man seine eigenen Schlüsse dazu ziehen. Die wesentliche Mehrheit der Epidemiologie ist sich sicher, dass die Verbreitung des Virus in der Gesamtbevölkerung wesentlicher Faktor für den Schutz von Alten- und Pflegeheimen ist. Die einzigen Experten, die gegenteiliges behaupten, sind nach meinem Wissen im deutschsprachigen Raum Klaus Stöhr sowie Jonas Schmidt-Chanasit. Eine wissenschaftliche Minderheitenposition. Man könnte es auch „Extremposition“ nennen.
Auch ein Beitrag in der Süddeutschen Zeitung, den Fleischhauer als „phantastisches Stück Journalismus“ bezeichnet, ist nach näherem Hinsehen nicht mehr als ein Beitrag mit dem Anschein von Objektivität. Dass an diesem Beitrag der Journalist Markus Grill (NDR / WDR) beteiligt war, der sich auch an wissenschaftlichen Minderheitenmeinungen zu orientieren scheint und der ebenfalls an der genannten Runde im ARD-Presseclub beteiligt war, sei erwähnt.
Fleischhauer sagt auf Übermedien weiter: „Ich erinnere mich an eine Zeit im Journalismus, wo man durchaus interessiert an Außenseitern war, und sei es nur, weil sie Leben in die Diskussion brachten.“ Gesellschaftliche Außenseiter journalistisch zu beleuchten, ist interessant. Wissenschaftlichen Außenseiterpositionen in einer Krisensituation bevorzugt Gehör zu verschaffen, jedoch fatal, denn es geht nicht um Entertainment, sondern Krisenbewältigung.
2 Comments
Ein Rōnin kämpft gegen das Infektionsschutzgesetz - OSTPROG · 15. Mai 2022 at 16:51
[…] wirft er einen ignoranten Umgang mit ihrer eigenen Verantwortung in der Pandemie vor. Das Stichwort False Balance […]
Initiative Familien – Mit Meinung gegen den Expertenrat - OSTPROG · 30. Juni 2022 at 7:02
[…] verwundern. Argumentativ weckt das Erinnerungen an den Kolumnisten Jan Fleischhauer, der einst ohne Aufzeigen von Alternativen mehr Kreativität im Umgang mit Corona […]