Wenn Verschwörungsnarratolog:innen mittlerweile als diskursfähig gelten, sollten alle Alarmglocken schrillen. Um dem entgegenzuwirken, braucht es mehr mutige Stimmen, die sich klar positionieren. Anfragen beim Center for Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) – einer gemeinnützigen Organisation, die unter anderem Aufklärung zu Verschwörungsglauben anbietet – hat ergeben, dass man dort gerade keine Einschätzung zu Ulrike Guérot anbietet.
Pia Lamberty von CeMAS hat sich nach meinen Recherchen jedenfalls bislang nicht öffentlich zu Guérot geäußert. Auch der Volksverpetzer nicht. Bei CeMAS scheint man die zahlreichen querdenkennahen Elterninitiativen ebenfalls bislang nicht auf dem Schirm zu haben, obwohl sich auch dort Verschwörungsnarrative nachweisen lassen und diese politisch und medial nicht unbedeutend sind. Den letzten offenen Brief der Initiative Familien unterschrieb ebenfalls niemand geringeres, als Ulrike Guérot.
Auch der Volksverpetzer hat sich in diesen Fragen bisher kaum über das Klientel von einfach identifizierbaren Querdenkern wie Stefan Homburg oder Bodo Schiffmann hinausgewagt. Was auch immer die Gründe dafür sind, es braucht gerade jetzt einen Umgang mit einer sich anscheinend zunehmend radikalisierenden gesellschaftlichen Mitte. Wir haben lange genug auf die Extreme an den Rändern geschaut.
Die landläufige Medienkritik in Deutschland schweigt schon seit Monaten zu querdenkernahen Elterninitiativen. Wer glaubt, dass sich das mit Ulrike Guérot – zudem noch während des Kriegs in der Ukraine – anders verhalten wird, ist naiv. Die Arbeitsverweigerung von ZAPP und Übermedien hierzu ist fatal. Wenn jetzt auch noch zivilgesellschaftliche Organisationen und Journalist:innen sich dem anschließen, lassen wir diese Medienkrise unbehelligt geschehen.
Etwas ist dran, am Titel von Guérots neuestem Buch. Wer schweigt, stimmt zu. Die Frage ist nur, ob man Guérot durch sein Schweigen weiterhin einen Platz im öffentlichen Diskurs eingesteht, oder einen Ordnungsruf in eine chaotische Mitte gibt. Eine Mitte, die derzeit so kopflos scheint, dass die große Gefahr besteht, Verschwörungsnarratologie als legitime Alternative zur Realität gesellschaftlich zu normalisieren.
Eine Mediengesellschaft in der es mehr Kritiken zu „Die Passion“ gibt, als zu Ulrike Guérot, scheint mir jedoch auf einem solchen Weg zu sein.
5 Comments
Phil · 18. April 2022 at 23:05
scheinbar oder anscheinend?
Gunnar Hamann · 19. April 2022 at 0:39
Danke, korrigiert. Anscheinend trifft es eher.
Frederic · 24. April 2022 at 4:42
Heute um kurz nach 8:00 Uhr wird Guérot mal wieder im Deutschlandfunk interviewt: https://www.deutschlandfunk.de/programm
Ich verstehe auch nicht, warum sie überall ihren Bullshit verbreiten kann und so wenig Kritik geäußert wird. Narrenfreiheit?
Vielen Dank für Deine Arbeit und schöne Grüße!
Der Moment, als Kristina Schröder die Grenze überschritt - OSTPROG · 22. Mai 2022 at 2:42
[…] und bleiben Sie sich treu. Das funktioniert für Personen ähnlichen Schlags wie Ulrike Guérot ja auch sehr gut, solange es niemanden interessiert. Die jüngste Familienministerin Deutschlands. […]
Initiative Familien: Von allen guten Medien verlassen? - OSTPROG · 28. Mai 2022 at 19:34
[…] halte es für keinen Zufall, dass mittlerweile ausgerechnet die Verschwörungsnarratologin Ulrike Guérot bei der Initiative Familien als Unterzeichnerin in Erscheinung tritt. Deutsche […]